München den 31. Juli 1916
[Pfarrer Binder: Reserve Lazarett München D
Landsberger Str. 124]
Sehr geehrter Herr geistl. Rat.
Muß Ihnen doch wieder einmal
schreiben. Sitzte nun den ganzen Tag
in meinem Saal und weiß nicht was
[ich] tun soll. Hatte bis jetzt noch keinen Ausgang
Ist mir auch gar nicht darnach, denn es
geht am besten, wenn ich ruhig bin. Wenn
nur das Essen ein klein wenig mehr wäre
und Kaffee und Tee ein wenig Zucker
hätte. Aber in allem wird gespart.
Hätte nun eine Bitte an Sie.
Übermorgen ist es nun ein Jahr, seit ich
verwundet bin. Ich müßte nun, da ich
seit der Zeit Invalid bin, Invaliden
Rente bekommen.
Ich bitte Sie dehalb, durch Herrn
Lehrer eine Eingabe an die Invaliden
Versicherung zu machen. Durch den
Bruder ihrer Stallmagd Rosina erfuhr
ich, daß er schon seit längerer Zeit Rente
erhält. Ich hoffe, daß es auch für mich
so geht. Herr Lehrer wird es schon wissen
wie es gemacht werden muß.
Wie geht es immer bei Ihnen? Hoffentlich
sind Sie immer gesund. Wie gehts
auf den Feldern? Ist der Weizen schon
geerntet? Wäre schon lieber bei Ihnen
bei der Arbeit, als hier im Lazarett.
Gibt den ganzen Tag Unruhe und Lärm,
denn das Zollamt ist fast neben der Bahn
und ein Zug fährt nach dem anderen
vorbei. Auch bei der Nacht ist es immer so.
Wenn nur nicht alles so teuer wäre. Ein
ganz kleines Stückchen Käse 25M. Brot, nur
für Marken, aber eine winzige Semmel.
Auf dem Land ist schon alles viel billiger
als hier. Ist halt die Hauptstadt München.
Am liebsten wär mir, wenn der Krieg
gar wäre und ich gesund wieder bei
Ihnen sein könnte.
Nochmals meine Bitte und viele
herzliche Grüße an Sie, beide Hochw.
Herren, Anna und alle Dienstboten
Ihr
ergebenster
Simon Braml
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