Lieramont bei Peronne in Nordfrankreich den 21
[Pfarrer Binder: Wolferstätter Matthäus]
Hochwürden Herr kgl. Geistlicher Rat
haben das inhaltsreiche Paket von Ihnen
erhalten besten Dank dafür. Ich hätte mich
schon längst verpflichtet gefühlt Ihnen zu schreiben
ich habe aber das aber nicht unterlassen als ver-
gessen oder aus Lauheit denn ich habe schon
oft an die schönen Worte und guten Erinneru-
ngen die Sie uns allen in Mühlberg gegeben
haben gedacht es kam mehr daher weil ich
mich mit meinen fehlerhaften Geschmier
doch schämen muß. Denn ich habe in der Schulle
zu meinem Bedauern nichts gelernt. Mir
ist es bis jetzt noch immer gut gegangen
wenn jetzt auch mit der Verpflegung etwas
mehr gespart wird so ist es doch noch
so dass wir uns nicht zu beklagen brauchen
und in übrigen weiss ich dass die da-
heim noch mehr Scheren müssen, die Gefahr
für die Seele meine ich ist bei uns viel Grösser
als die für den Leib, denn gescheites und
gutes hört man bei uns sehr wenig, dagegen
Sündhaftes sehr viel, was man in dieser
ernsten Zeit kaum für möglich halten
würde. Predigt haben wir auch selten
denn wegen einer einzigen Kolonn kann
nicht jeden Sonntag ein deutscher Geistlicher
zu uns kommen, wir können aber doch
fast jeden Sonntag in die Heilige Messe
kommen, denn in unserer Ortschaft sind noch
fast alle Leute da und auch ihr Geist-
licher. Wir müssen jetzt die meiste Zeit
Ackern haben jetzt in unserer Ortschaft
ungefähr 500 Tagwerk Weizen angebaut
jetzt müssen wir den Haber Bauen
müssen alles zuvor Ackern. Es gibt
da fast lauter Getreide Bau, Viehzucht
nur wenig. Der Hof wo ich meine
Pferde hab hat allein schon mehr
Ackerfeld als 400 Tagwerk der Boden
meine ich ist hier sehr gut. Wetter haben
wir bereits gar keine gehabt, Schnee höchstens
im ganzen 10 Zentimeter. heut haben wir
das schönste Frühlingswetter, wir sind jetzt
schon über 3 Monate immer im gleichen
Quartier. Ist da gar nicht ohne denn wir
da schöne Stallungen und auch ganz
nette Wohnungen wenn wir nicht immer
Kanonendonner hätten würdens wir
überhaupt bald kaum mehr kennen dass
wir im Kriege sind nur das Eine machts
uns schwerer dass an ein Ende des Krieges
in bälde noch nicht zu denken ist aber
doch wenn es Gottes Wille ist wird der Friede
auf sich nicht mehr gar zu lange
warten lassen wenn nicht dann möge uns
Gott die Gnade geben dass wir das unver-
meidliche mit Würde tragen.
Es grüßt Ihnen und auch Hochwürdigen
Herr Koprator und Hochwürdigen
Herr Coadjutor mit der Bitte beim
Heiligen Meßopfer an mich zu gedenken
aus weiter ferne und doch in Gedanken
so nahe in bester Gesundheit uns
ich auch von euch hoffe Euer
dankbares und unvergessliches
Pfarr Kind Matthäus Wolferstetter
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