[Pfarrer Binder: Rambichler]
Wyscheate [=Wijtschate] bei Ypern d. 15.11.1914
Sehr geehrter Herr geistl. Rat!
Heute mittags 12 Uhr haben Feld-
gottesdient in einem armen
schlichten Bauer Einödhof der früheren
Hauptverbandplatz unserer Division
u. das Feldlazarett das sind die
Höfe die noch nicht verbrannt u.
niedergeschoßen sind. Es ist heute
ein Wetter, Wind, Regen u.
ein wenig Schnee darunter, ein
direkter Meersturm: Folge
dessen die hl. Messe in dem
Strohlager u. dann wirklich arm-
seelig u. in der Giebelseite ein
großes Loch von einer Granate
herrührend. Hochw. Herr Patres
hielt uns zuerst eine Ansprache
mit der Erinnerung an die Geburt
Christi in dem armseeligen Stall,
u. dann erinnerte uns Pater wieder
an unsere Gefahr im Dienste, denn
unser Pater geht mit uns in das
ärgste Feuer sei es Inf. oder Gra-
natfeuer es ist eine furchtbare
Schlacht u. meines Erachtens wie
ein Hufeisen u. wir sind die
innere Front, gestern kamen
wir in Otuwese [ =Ottignies-Louvain-la-Neuve?] in ein
furchtbares Granatfeuer wo
ich am Allerheiligentag schon
war, damals hatte wir Infan-
triefeuer bekommen was ich nie
vergessen werde, daraus ersehen
Sie wie schnell die Sache geht. Es ist
nicht so einfach wie die Zeitung
schreibt, unsere Division [typisch 10000-30000 Mann] war in
5 Tagen auf ein schwaches Regt. [typisch 1000-3500 Mann] zu-
sammengeschmolzen [nur jeder 10te hat überlebt!], ich hätte mir die
Sache so arg nicht vorgestellt, u.
die in München die kältesten u. frechsten
waren sind jetzt stumm und ver-
ziehen sich, unser Gruppenführer
ist schon 10 Tage krank u. unsere
sog. Kameraden hauptsächlich von
Freiwilligen die machen ein Gesicht
u. sind schon viele wieder weg ge-
kommen der eine fällt in Ohnmacht
der andere spinnt der dritte hat Bauch-
weh u.s.w. die werden aber mit
empfangen u. man merkt
das auch, daß der Offiziersstand jetzt
nicht mehr das ist, was er war,
wir kommen schon vorwärts aber
langsam, und haben jetzt auch wieder
Leute bekommen zum ergänzen unserer
Division. Ferner wie es in den
Ortschaften Städten u. auf den Feldern
aussieht jedes Haus jede Kirche
verbrannt oder gänzlich zerschossen
Pferde u. Rinder fast alle tot auf
den Feldern die Straßen fast nicht
mehr fahrbar u. eine Festung, tote
Engländer lagen 10 Tage deutsche u.
Franzosen auch Wochenlang u. Pferde
u. Rinder sind auch hier bin frei auch
vom Schlachtfelde u. ich kann mich
ganz trösten, wenn ich nur denke
sind wir der Feind im Lande, wenn
Haus u.Hof auch noch dem Krieg
preisgegeben ist, es wird daß alles
gemacht wird der Feind sich in
Häusern duckt u. Folge deßen werden
die Ortschaften in Brand geschossen
Ich bin Gott sei dank recht gesund
u. hoff dass ich den Krieg überlebe
führe eine kl. Buchführung u.
kann euch jeden Tag schildern, hier
u. da kommen wir halt 3 Tage zu-
sammen u. da geht es denn nicht
mehr ganz gründlich, gestern Abends
hat unser Zugführer unser Patrulie
ohne Führer zur Auszeichnung vor-
geschlagen, wird aber nichts sein
da wir nur 16 Mann aus dem
Granatfeuer holten u. kein höherer
Offizier dabei ist, meines Erachtens
geht im Kriege der Mensch beim
Offizier erst an. Meine ja schon
aber lieber sind mir die geraden
Glieder. Die Gegend ist sehr frucht-
bar hier gibt sehr schönes Getreide
welches eingetroschen zum Biwak-
stroh verwendet wird. Tabak
u. Rüben so viel u. groß wie
noch nie gesehen die Kartoffel
haben wir bald verzehrt u. wäre
bald eine neue Gegend notwen-
dig die Wohnungen u. Ställe
lauter Gelump u. braun nur
wie die Heustadl sonstiges münd-
lich. Wie machen sich die Kinder
der Franzl: Herr Coadjutor soll noch
anziehen daß es größer wird bis ich
komme. Und besten Gruß an Sie
u. die zwei geistl. Herrn an
alle welche Sie am Freitag treffen.
Hab Herrn Pfarrer v. Waging Betreff
der Franzosen schon geschrieben
[Pfarrer Binder: Rambichler]
Verzeihen Sie meine Schrift den ich lieg im Stroh Sitz haben wir
keinen es gibt nur stehen oder liegen
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