Tirol, 29 Juni 1915
[Pfarrer Binder:
Paul Mittermayer Feldzugssoldat gegen Italien
1. bayr. Jäger Brigade,
1. bayr. Jäger Rgmt,
1. bayr. Jäger Baon,
4. Komp.
]
Hochwürden Herr Geistl. Rat!
Tief hier in den
Dolomiten, wurde mir zu meiner größten
Freude heute ein Paket von Ihnen zugestellt.
& danke ich Ihnen dafür von ganzen
Herzen. Es trug auch noch unsere
frühere Adresse & ging vorerst nach Frank-
reich, wo wir aber seit 20. Mai nicht
mehr sind. Mit unserem neuen Gegner, der
nicht besonders standhaft ist, haben
wir am Falzaregopass bereits Bekanntschaft
gemacht & ihm sogleich bay. Hiebe an-
gedeihen lassen. Besonderen Ärger ver-
schafften uns hier die Österreicher, es waren
eigentlich schon mehr so Halbitaliener,
welche das bek. Sperrforts bei unseren
Schützenlinien, den Italien ohne Schuß
überließen & sich ergaben, den nächsten
Tage stürmten wir das Fort & warfen
die Italiener wieder hinaus. Über-
haupt hatten die Österreicher hier
sehr unzuverlässige Truppen & auch
die Dolomitenstrasse, die eigentliche
maßgebende Strasse für dieses Oper-
ationsgebiet war in schlechtem Zu-
stande; erst gestern stürzte von uns
wieder ein Auto in den Abgrund,
alle 4 Insassen tot. Deutsche Pioniere
sind aber bereits an der Arbeit, um allen
Mängeln abzuhelfen. Ich bin zur Zeit als
Befehlsempfänger beim Stabe & sitze heute
auf einer einsamen Radfahrstafetten-
station, in der Nähe von Pedraces um
event. ankommende Befehle an die nächste
Station weitergehen zu lassen. Nachdem
man sich hier auf solchem Posten
nun selber verpflegen muß, habe ich
Ihr liebes Paket bereits in Angriff
genommen & mir aus der guten Schokolade
& einer, aus der naheliegenden Alm
herbei geholten Milch einen kräftigen
Morgentrunk gekocht. Heute mittag
werde ich wieder abgelöst & habe
dann 4 Tage frei, die ich mir mit
Klettertouren & der Jagd in der Sella-
berggruppe vertreibe. Unser Baon liegt
zur Zeit, seit unserer Ablösung von
der Stellung in Stein b. Corvara als
Korpsreserve auf Rast. Die Italiener
sind nicht besonders gut ausgerüstet,
am Schuhwerk, das die Hauptsache
hier ist, fehlt es bei ihnen ganz ge-
waltig; wir dagegen mit unserer
nagelneuen, alpinen Ausstaffierung
sind tadellos beisammen. Die Berge
machen uns allerdings viel zu schaffen,
aber überwunden wird alles. wenn es
nur auch einmal schönes Wetter würde
auf den Bergen Neuschnee & im Tale
fast andauernden Regen. Wir sind
den Regen eigentlich von Flandern
her, ziemlich gewöhnt & hatten wir dort
unter der 170 Tage dauernden Regen-
zeit viel zu leiden. Die letzte Zeit
von 9-17. Mai, waren wir in Souchez
auf der Lorettohöhe & machten wohl
hier unseren furchtbarsten Kampf mit
seit Dauer des Krieges. Vor einigen
Tagen erhielt ich das Militär Verd. Kreuz 3. Kl.
mit Schwerter. Mit herzl. Gruße, Ihr
dankbarer Jäger
Mittermayer
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